Historisch fechten

Dieser Artikel über uns erschien in der „Sport-Rundschau“ der offiziellen Zeitschrift des österr. Polizeisportverbandes. Ganze sechs Seiten sind uns in der 7-8/2020 Ausgabe gewidmet.

von: Gerhild Grabitzer, Hannah Meindl, Harald Meindl, Wolfdieter Stransky-Heilkron
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Die PSV Sektion HEMA in Graz

Schwitzen, lachen, immer wieder von vorne anfangen. Seit bald drei Jahren wird in Graz am Standort der Polizeidienststelle Karlauerstraße historisches Fechten mit dem langen Schwert trainiert. Damit wird der PSV um eine Abteilung für historische europäische Kampfkünste (HEMA) erweitert.


Historisch?

Wir bauen unser Training (wie viele andere Vereine für historisches Fechten) auf historische Anleitungen und Lehrbücher auf, die zwischen dem 14. und 16.Jh. verfasst und zum Teil handschriftlich, zum Teil als frühe Drucke überliefert sind. Glücklicherweise wurde ein Gutteil dieser Lehrbücher in Mittelhochdeutsch verfasst, das sich mit einiger Übung (und gelegentlichem Blick in die moderne Übersetzung) mit der Zeit flüssig lesen lässt. Da einige der Manuskripte auch mit Abbildungen versehen sind, lassen sich die Anleitungen der Stücke (Abfolgen von Einzeltechniken) meist recht gut rekonstruieren. Das Buch, auf das wir hauptsächlich Bezug nehmen, wurde vierzig Jahre vor der berühmten Fahrt von Christoph Columbus veröffentlicht und wird dem deutschen Fechtmeister Peter von Danzig zugeschrieben.


Fechten?

Wir verwenden für unseren Sport Fechtfedern, also ein Gerät aus Federstahl, das in Abmessung, Gewicht und Balance einem einem deutschen Langschwert des späten Mittelalters gleicht. Mit ca. 120 cm Länge und einem Gewicht zwischen 1,2 und 1,5 kg wird das lange Schwert beidhändig geführt. Da die Wirkung, die eine Fechtfeder bei einem Hieb oder Stich entwickelt, durchaus beachtlich ist, schützen wir uns im Sparring mit Fechtmasken, schweren Fechthandschuhen, stichfesten Fechtjacken und -hosen und wahlweise auch Protektoren für Unterarme, Ellenbogen, Kniegelenken und Schienbeinen. In den Techniktrainings beschränken wir uns meist auf Maske und Handschuhe. Ab und zu blaue Flecken oder noch seltener ein überlastetes Handgelenk nehmen wir beim Sparring in Kauf, mehr aber nicht. Natürlich bietet das Arsenal der historischen europäischen Kampfkünste noch jede Menge anderer Waffen wie das einhändige Schwert mit dem Buckler (einem Faustschild), den Rapier (mit oder ohne Parierdolch), das lange Messer, den Dolch, den Dussack, den Säbel, das Spadone a due mani, die Hellebarde, die halbe Stange…, aber leider ist das Leben und vor allem die Trainingszeit zu kurz, um in allen diesen Bereichen sinnvoll trainieren zu können. Daher beschränken wir uns fürs Erste auf das lange Schwert. Die Beschäftigung mit einer historischen Kunst bringt es mit sich, dass so ganz nebenbei ein eigenes Vokabular erlernt und verwendet wird, das uns die Quellen für unseren Sport vorgeben: Ort, Gehilz, Bommel, Kreuz (Spitze, Griff, Endknauf und Handschutz beim langen Schwert), Vor, Nach und Indes, Stärke und Schwäche,… Wir verbinden also die sportliche Betätigung mit historischem Interesse und der Lust am Entdecken immer neuer Details in den Quellen. Im Übrigen wird von einigen Vereinsmitgliedern auch historisches Leibringen trainiert, das ebenfalls in verschiedenen Handschriften gelehrt wird.

Historisch fechten?

Wer historisches Fechten trainiert, befindet sich in einer Zwickmühle, besonders, wenn
nach den früheren Fechtbüchern gearbeitet wird: das Ziel der meisten frühen Unterweisungen für einen Fechtschüler ist es, einen Gegner im Ordal (Gerichtskampf) oder im Duell zu töten oder zumindest kampfunfähig zu machen. Natürlich finden sich in den Texten auch Entwaffnungstechniken, die eher an Polizeiarbeit erinnern als an epische Gefechte mit Mantel und Schwert, diese sind aber eindeutig in der Minderzahl. Und Fechtschulen, die bereits als Anleitung für sportliches Fechten gedacht sind, tauchen in Europa erst Mitte des 16.Jh.s auf. Da wir aber auch im nächsten Training nicht auf unsere Kolleginnen und Kollegen verzichten wollen, müssen wir in diesem Punkt zumindest insoweit Kompromisse eingehen, dass wir uns ausreichend schützen, was wiederum der eigentlichen historischen Fechtpraxis nicht entspricht: das Fechten mit dem langen Schwert wird ungerüstet betrieben, es ist Bloßfechten. Der Kampf im Harnisch erfordert andere Waffen und andere Techniken, die ebenfalls in einigen Handschriften unterrichtet werden. Die Preise für Plattenharnische (ungefähr im Bereich eines guten Gebrauchtwagens) haben uns aber schnell davon überzeugt, beim Bloßfechten zu bleiben.

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